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Haufe Online Redaktion – Es fehlen Pflegeheime in den Städten, aber auch Anreize für Investoren
Strikte Gesetze, geforderte Renditedeckel – für Investoren sind Pflegeimmobilien eine Herausforderung. In den Städten steigt der Bedarf an Heimen und ambulanten Einrichtungen bis 2030 massiv, doch ein Investment rentiert sich kaum. Was Anleger brauchen, sind laut einer Studie Anreize und Sicherheit.
In den kommenden zehn Jahren müssen in Deutschland bis zu 293.000 zusätzliche Pflegeheimplätze entstehen – also zwischen rund 210 und 390 Heimen pro Jahr, wie eine Studie der Irebs International Real Estate Business School im Auftrag des Zentralen Immobilien Ausschusses ZIA zeigt. Dabei sollen die Lösungen nicht nur bezahlbar, sondern auch praktikabel sein: Neben der stationären Pflege gehört den Experten zufolge auch die ambulante Versorgung und das „altersgerechte“ Quartier mit barrierefreien Wohnungen dazu.
Dabei stellt sich die Frage: Wo werden die Pflegeimmobilien überhaupt gebraucht? Im vollstationären Bereich kommt die Studie zu dem Schluss, dass in den „sehr zentralen Lagen“ die meisten Pflegebedürftigen versorgen werden müssen: Alleine für Berlin gehen die Studienautoren davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis zum Jahr 2030 um 34 Prozent wachsen wird.
Pflegeheimprojekte lohnen sich nicht dort, wo sie gebraucht werden
Die Studie zeigt jedoch, dass sich Projektentwicklungen und Investments in peripheren Lagen eher lohnen als in den Ballungszentren, wo der Bedarf an zusätzlichen Pflegeplätzen steigen wird. „Diese Fehlanreize widersprechen dem Ziel der Pflege im Quartier“, sagt Martin Engel, der die Studie für den ZIA betreut hat.
Damit Projektentwicklungen in zentralen Lagen vorteilhaft wären, bräuchten Investoren Anreize und Planungssicherheit, so die Autoren der Studie: So müssten etwa Grundstücke günstiger werden oder föderale Gesetze eine größere Bettenkapazität erlauben als bisher. Bauliche Anforderungen wie neue Energiestandards, strengere Brandschutzregeln oder mehr Flächenverbrauch aufgrund von Vorgaben zur Mindestgröße der Zimmer erhöhen die Baukosten ebenfalls und wirken sich negativ auf die Kalkulation aus.
Das aktuelle regulatorische Umfeld führt zu einer erheblichen Asymmetrie zwischen der möglichen Rendite eines Pflegeheimprojekts in (sehr) zentraler Lage und eines Pflegeheims in peripherer Lage. Weil aber die Nachfrage nach Pflegeheimplätzen eher in den Ballungsräumen zunehmen wird, vertärkt sich die Asymmetrie: Dort, wo zusätzliche Pflegeimmobilien gebaut werden müssten, sind sie nicht wirtschaftlich, und dort, wo die Kalkulation auf attraktive Zielrenditen hinweist, fehlt die Nachfrage.
Experten fordern einheitliche Rahmenbedingungen und eine Mietindexierung
Zudem existieren bei den baulichen Mindeststandards je nach Bundesland unterschiedliche Vorgaben. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die sogenannte Einbettzimmerquote in Baden-Württemberg und Hamburg bei 100 Prozent liege, aber in Bremen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gar keine Vorgaben bestünden, sagt Jan-Hendrik Jessen, Vorsitzender des ZIA-Ausschusses Gesundheitsimmobilien. „Investitionen müssen so je nach Bundesland stets neu geplant und kalkuliert werden.“
Die Irebs-Wissenschaftler und die ZIA-Experten schlagen eine bundesweite Vereinheitlichung der föderalen Mindeststandards vor. Außerdem fordern sie eine Mietindexierung: Bisher sind die Pflegeheim-Mietverträge an den Verbraucherpreis-Index gekoppelt. Ohne Mietindexierung sei ein Inflationsschutz des Investments nicht gegeben, so Co-Autor Martin Engel. Es liege nun an der Politik, dieses erhebliche Hindernis beim Aufbau der notwendigen Pflegeinfrastruktur wieder zu bereinigen und so für Investitionssicherheit zu sorgen. „Investitionssicherheit benötigen Projektentwickler und Investoren nicht nur für Pflegeheime, sondern auch für den Aufbau ambulanter Versorgungsinfrastruktur. Hier unterscheiden sich beide Formen nicht.“ Jan-Hendrik Jessen, Vorsitzender ZIA-Ausschuss Gesundheitsimmobilien.
Außerdem kritisieren die Studienautoren den von der Politik geforderten Renditedeckel für private Träger von Pflegeheimeinrichtungen: Der Deckel plus die geltenden Gesetze könnten das künftige Angebot an Pflegeplätzen noch verknappen. Würde der Renditedeckel auf flexiblere Regelungen stoßen, könnte zwar die Asymmetrie zwischen peripheren und zentralen Lagen reduziert werden, aber ob dann mehr Pflegeheime gebaut würden, sei fraglich.
Experten rechnen mit steigenden Preisen für Pflegeimmobilien
Eine Expertenumfrage des Fondsmanagers und Projektentwicklers Vivum zu Pflegeimmobilien und Betreutem Wohnen hat gezeigt, wie sich die Corona-Pandemie auf die Nachfrage und das Investitionsverhalten auswirkt. Die Assetklasse ist relativ unabhängig von konjunkturellen Schwankungen und gilt deshalb gerade in Krisenzeiten als interessant. 40 Prozent der Experten rechnen auch kurzfristig mit einer erhöhten Nachfrage, 71 Prozent sind davon überzeugt, dass die Preise für Pflegeimmobilien weiter steigen werden. Teilgenommen haben an der Umfrage Unternehmen aus den Bereichen Projektentwicklung, Betrieb von Pflegeimmobilien und Betreutem Wohnen, Bewertung, Finanzierung, Vermittlung und Asset Management.
Vivum geht davon aus, dass bis zum Jahr 2030 insgesamt zusätzlich 760.000 Pflegeplätze gebraucht werden. „Das entspricht einem Investitionsbedarf von rund 90 Milliarden Euro“, prognostizierte Nico Grimm, Geschäftsführer der Vivum Services Frankfurt GmbH. Auch dem Vivum-Experten-Panel bereitet dabei die mangelnde Harmonisierung der Landesbauordnungen für Pflegeheime Kopfzerbrechen.